Predigt am 25. Februar 2024

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 4. Buch Mose im 21. Kapitel:

4 Da brachen die Israeliten auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege

5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.

6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben.

7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk.

8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.

9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

Herr, öffne unsere Herzen, dass wir dein Wort verstehen und aus ihm leben lernen. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

normalerweise bestehen Predigten aus einer Einleitung, einem Hauptteil und einem Schluss. Die heutige Predigt nicht. Sie besteht lediglich aus vier Beobachtungen. Vier Beobachtungen zum Predigttext. Vier Beobachtungen zum Leben, zum Glaubensleben. Vier Beobachtungen, die ich mit Ihnen teilen möchte. 

Beobachtung Nummer 1: Umwege gehören zum Leben. Der Predigttext beginnt mit den Worten: „Da brachen die Israeliten auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen.“ Das Volk Israel befindet sich auf seiner vierzigjährigen Wanderschaft durch die Wüste. Diese Wanderschaft ist ein einziger großer Umweg. Das Volk musste diesen Umweg gehen, weil es an der Schwelle zum Gelobten Land Gott nicht vertraute. Weil es nicht darauf vertraute, dass Gott seinem Volk dieses Land geben würde – trotz der riesenhaften Menschen, die es bewohnten. Die vierzigjährige Wanderschaft durch die Wüste ist für das Volk Israel ein einziger großer Umweg. Und auf diesem einen großen Umweg gibt es noch zahlreiche kleine Umwege. Einen dieser kleinen Umwege beschreibt der Predigttext: „Da brachen die Israeliten auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen.“ 

Umwege gehören zum Leben. Manche von ihnen dauern mehr als vierzig Jahre, mitunter ein ganzes Leben. Andere hingegen dauern nur ein paar Minuten oder Stunden. Manche Umwege beziehen sich auf den Weg von A nach B, andere auf den beruflichen Werdegang oder auf die Suche nach der großen Liebe und wieder andere beziehen sich auf einen selbst: auf den Weg zur eigenen Identität, auf den Weg des Ankommens im eigenen Leben. An manchen Umwegen sind wir selber schuld – weil wir zu ängstlich oder zu eigensinnig sind oder weil wir nicht genug Vertrauen haben. In andere Umwege geraten wir einfach so hinein und wieder andere bewahren uns vor einer Gefahr – so wie jener Umweg, von dem der Predigttext spricht. Der direkte Weg durch das Land der Edomiter wäre für das Volk Israel zu gefährlich gewesen. 

Umwege gehören zum Leben. Sie gehören auch zu einem Leben mit Gott. Auch wenn man mit Gott lebt, auch wenn man an ihn glaubt und ihm vertraut, bleiben Umwege nicht aus und führen einen manchmal sogar in und durch die Wüste. Wenn man mit Gott lebt, wenn man an ihn glaubt und ihm vertraut, geht man jedoch keinen Umweg allein. Gott ist dabei auf den Umwegen des Lebens. Er war damals bei seinem Volk Israel auf dessen Umwegen dabei. Und er ist es heute bei uns auf unseren Umwegen. 

Beobachtung Nummer 2: Manchmal nimmt Gott einen beim Wort. Im Predigttext fragen die Israeliten Gott und seinen Knecht Mose: „Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste?“ Ich kann mir vorstellen, dass Gott über diese Frage sehr enttäuscht war. Enttäuscht deshalb, weil er sein Volk auf dem Weg ins Gelobte Land doch immer bewahrt und mit allem Lebensnotwendigen versorgt hatte. Ich kann mir vorstellen, dass Gott bei sich selbst dachte: „Wenn ihr so denkt, wenn ihr es tatsächlich für möglich haltet, dass ich euch aus Ägypten geführt habe, um euch hier in der Wüste sterben zu lassen, dann soll es eben so sein.“ Mit anderen Worten: Gott nimmt sein Volk beim Wort. Es droht, in der Wüste zu sterben: „Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben.“ 

Manchmal nimmt Gott einen beim Wort. Dieser Satz stammt von meiner Oma. Sie sagte ihn immer dann zu mir, wenn sich etwas erfüllte, was ich unbedingt gewollt, was ich mir inständig gewünscht hatte – aller Erfahrung, allen Bedenken und allen Ratschlägen zum Trotz. Und wenn ich dann überaus unglücklich über diese Erfüllung war, weil sich das unbedingt Gewollte, das inständig Gewünschte als schlecht herausstellte. Dann sagte sie zu mir: „Manchmal nimmt Gott einen beim Wort.“ Und sie meinte damit: Manchmal lässt Gott uns Menschen unseren Willen. Obwohl er es besser weiß. Obwohl er Besseres für uns will. Aber Gott nimmt uns Menschen eben auch ernst. Er nimmt uns ernst in unserem Wollen. Er nimmt uns ernst in der Verantwortung, die wir für uns und unser Leben übernehmen sollen. Glücklicherweise nimmt Gott uns Menschen nicht immer beim Wort, sondern nur manchmal. Denn wie oft schon dachte ich hinterher, wenn etwas, das ich unbedingt gewollt hatte, nicht eintraf: „Gott sei Dank! Gott sei Dank hat er mich dieses Mal nicht beim Wort genommen. Gott sei Dank hat er mir dieses Mal nicht das gegeben, was ich mir mit meinem begrenzten Horizont so inständig gewünscht hatte.“ 

Beobachtung Nummer 3: Gott hilft, aber er räumt nicht einfach alle Schwierigkeiten aus dem Weg. Das Volk Israel bittet Gott durch Mose, die todbringenden Schlangen wegzunehmen. Doch die Schlangen bleiben. Und dennoch hilft Gott seine Volk. Er gibt Mose den Auftrag, eine Schlange aus Eisen zu machen und an einem Pfahl aufzuhängen. Wer von den anderen Schlagen gebissen wird und diese eine Schlange anschaut, der bleibt am Leben. 

Gott hat die todbringenden Schlangen damals nicht einfach weggenommen. Es wurden auch weiterhin Menschen gebissen. Aber das bedeutete nicht mehr den sicheren Tod. Leben, Überleben war möglich – mit Gottes Hilfe. Gott nimmt auch heute nicht einfach alles weg, was uns bedroht oder belastet: Ängste bleiben. Sorgen bleiben. Herausforderungen bleiben. Eine Krankheit bleibt. Die Einsamkeit bleibt. Und dennoch hilft Gott. Er hilft, dass wir trotzdem leben können. Er hilft, dass wir mit den Ängsten, mit den Sorgen, mit den Herausforderungen, mit der Krankheit, mit der Einsamkeit leben können. Dass wir daran nicht zugrunde gehen. 

Und schließlich Beobachtung Nummer 4: Mit dem Herrn Jesus geht es. Im Predigttext ist von Jesus eigentlich nicht die Rede. Aber es heißt dort: „Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.“ Dieser Satz von der erhöhten Schlange, auf die man schauen muss, um zu leben, ist der Grund dafür, dass der Predigttext dem heutigen Sonntag zugeordnet wurde. Denn in der Passionszeit denken wir in besonderer Weise an das Leiden und Sterben Jesu, der seinen Tod einmal folgendermaßen gedeutet hat: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ Mit anderen Worten: So wie Mose die eherne Schlange an einem Stab erhöhte, damit sie alle sehen und dadurch Heil und Rettung finden können, so hat Gott Jesus am Kreuz erhöht, damit alle, die auf ihn schauen, damit „alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ 

Als Kind lernte ich einen Mann namens Martin kennen. Er besuchte die gleiche Bibelstunde wie meine Oma. Er konnte wunderschön erzählen und sah einen dabei aus liebevollen Augen und mit einem verschmitzten Lächeln an. Er hatte kein leichtes Leben, arbeitete als Knecht auf einem Bauernhof und war im Alter von Krankheit und Entbehrungen gezeichnet, aber immer wenn man ihn fragte: „Martin, wie geht es dir?“, dann antwortete er: „Mit dem Herrn Jesus geht es.“ Er sagte nicht: „Es geht mir gut.“ Er klagte auch nicht, dass es ihm schlecht gehe, sondern er sagte einfach: „Mit dem Herrn Jesus geht es.“ Heute weiß ich: Martin hat auf Jesus geschaut und mit dem festen Blick auf ihn sein Leben gemeistert – mit allem, was es ihm gebracht und vorenthalten hat. Martin hat auf Jesus geschaut und nicht auf sich selbst oder auf andere oder auf das, was ihn geängstet oder bedrängt hat. Er hat auf Jesus geschaut und dabei immer wieder erfahren: „Mit dem Herrn Jesus an meiner Seite geht es.“ 

Umwege gehören zum Leben. Manchmal nimmt Gott einen beim Wort. Gott hilft, aber er räumt nicht einfach alle Schwierigkeiten aus dem Weg. Und: Mit dem Herrn Jesus geht es. Vier Beobachtungen zum Predigttext. Vier Beobachtungen zum Leben, zum Glaubensleben. Vier Beobachtungen, die ich heute mit Ihnen teilen wollte. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.