Predigt am 21. Januar 2024

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im 2. Buch der Könige im 5. Kapitel:

1 Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig.

2 Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienst der Frau Naamans.

3 Die sprach zu ihrer Herrin: Ach dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien.

4 Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet.

5 Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Schekel Gold und zehn Feierkleider

6 und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist.

7 Und als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!

8 Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist.

9 So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas.

10 Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.

11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand über der Stelle bewegen und mich so von dem Aussatz befreien.

12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.

13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, würdest du es nicht tun? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!

14 Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.

Herr, öffne unsere Herzen, dass wir dein Wort verstehen und aus ihm leben. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

vor drei Wochen haben wir uns alle auf den Weg gemacht – auf den Weg in ein neues Jahr. Auf den Weg durch ein neues Jahr. Wie war dieser Weg bislang für Sie? Mühsam und steinig oder leichtgängig und eben oder ein ständiges Auf und Ab? Vielleicht haben Sie in diesen ersten Wochen schon einen Umweg gemacht oder sind in eine Sackgasse geraten. Vielleicht treten Sie noch auf der Stelle und sind noch gar nicht richtig losgegangen. Und nicht zuletzt: Welches Ziel hat Ihr Weg durch das neue Jahr? Einfach nur das Ziel, durchzukommen? Das Jahr mit und trotz allem, was es mit sich bringen wird, zu überstehen? Oder was ist Ihr Ziel, das Sie in diesem Jahr erreichen oder dem Sie zumindest ein Stück näherkommen wollen? 

Der heutige Predigttext erzählt von Naaman, dem Feldhauptmann des aramäischen Königs zur Zeit des Propheten Elisa. Er ist ein Mann, der sich auch auf den Weg gemacht hat – auf einen weiten, ungewissen Weg. Aber mit einem deutlichen Ziel vor Augen. Mit dem Ziel, gesund zu werden. Denn Naaman hat Aussatz. In seinem Fall verbirgt sich dahinter keine Lepraerkrankung, sondern eine Art Schuppenflechte. Die Krankheit bedeutet also kein Todesurteil – weder für ihn selbst noch für die Menschen, mit denen er zusammenlebt. Und dennoch: Naaman möchte gesund werden. Und wer könnte ihm das verdenken? Für dieses Ziel machen auch wir uns auf den Weg – der eine mehr, die andere weniger. Für dieses Ziel nehmen auch wir zum Teil weite Wege auf uns. Der aramäische Feldhauptmann Naaman ist am Ende seines Weges tatsächlich gesund geworden. Es heißt von ihm: „Sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben und er wurde rein.“ Doch ich denke, am Ende seines Weges ist Naaman nicht nur äußerlich gesundgeworden, sondern er ist auch innerlich heilgeworden. 

Ich habe mich gefragt: Wie sieht Naamans Weg zur Heilung eigentlich aus? Lässt sich daran vielleicht ein Erfolgsrezept ablesen – ein sicherer Weg zur Heilung? Ein Weg, den auch wir gehen könnten? Zunächst einmal ist festzuhalten: Naamans Weg zur Heilung führt nicht immer geradeaus. „Ach dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien“, hatte das israelitische Sklavenmädchen zu Naamans Frau gesagt. Doch wohin wendet sich der Feldhauptmann daraufhin? An seinen Vorgesetzten, den aramäischen König. Mit anderen Worten: Naaman geht den gewohnten, den „Dienstweg“. Er lässt sich von seinem König ein Empfehlungsschreiben für den israelitischen König ausstellen. Wenn schon in Israel Heilung zu finden ist, dann doch wohl an oberster Stelle! Doch die eingeübten Kommunikationswege führen Naaman in diesem Fall nicht weiter. Der Weg zum israelitischen König führt Naaman geradewegs in eine Sackgasse und wird zudem als Provokation aufgefasst. Es heißt: „Als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!“ Nein, Heilung ist auf diesem Weg – auf dem gewohnten, dem „Dienstweg“ – nicht zu finden. Und da ich habe mich gefragt: Welches sind wohl meine gewohnten, meine „Dienstwege“? Welches sind die Wege, auf denen ich mein Heil suche? Und: Bin ich vielleicht so sehr auf gewohnten Pfaden unterwegs, dass ich den eigentlichen Weg zur Heilung übersehe? 

Der Weg zur Heilung führt jedenfalls nicht immer geradeaus. Und er ist auch nicht immer leicht. Denn er führt Naaman geradewegs in die Demut. Er, der große und mächtige Feldhauptmann der Aramäer, muss sich von einer Kriegsgefangenen sagen lassen, was zu tun ist. Er muss von einem israelitischen Sklavenmädchen den Rat annehmen, dass es im Land Israel Heilung für ihn gibt. Später muss er sich auch noch von seinen Dienern wie einem störrischen Esel gut zureden lassen. Denn als Naaman vor dem Haus des Propheten Elisa steht, will er das ganze Unternehmen abbrechen. Er ist in seinem Stolz tief verletzt. Der Therapieplan, sich im Jordan zu waschen, erscheint ihm für einen Mann seines Standes als unwürdig und wird zudem noch nicht einmal vom Propheten selbst überbracht. Gott sei Dank sehen seine Diener das anders und sagen zu Naaman: „Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!“ Auf seinem Weg zur Heilung muss Naaman nicht nur geographische Grenzen überschreiten – die Grenze zum Nachbarland Israel, sondern auch soziale Grenzen. Rat anzunehmen, ist eine Sache. Und fällt manchmal schon schwer genug. Aber Rat von einem Sklavenmädchen oder der eigenen Dienerschaft annehmen zu müssen, von jenen, die eigentlich nicht in der Position sind, einen Rat zu geben, sich überhaupt ein Urteil zu erlauben – das ist noch einmal eine ganz andere Sache. Dazu gehört wirklich Mut – Demut. Doch ohne diesen Mut zur Demut hätte Naaman sein Ziel niemals erreicht, wäre er nicht gesundgeworden. 

Der Weg zur Heilung führt nicht immer geradeaus. Er ist auch nicht immer leicht. Und schließlich: Er führt nach innen, hin zu sich selbst. Damit hatte Naaman nicht gerechnet. Er hatte etwas anderes erwartet, nämlich eine Wunderheilung mit allem, was dazu gehört: große Worten, mächtige Taten und eindrucksvolle Zeremonien – Dinge, die an ihm geschehen. Daher sagt er voller Wut und Enttäuschung zu seinen Dienern. „Ich meinte, er sollte hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand über der Stelle bewegen und mich so von dem Aussatz befreien.“ Aber so verläuft Naamans Heilung nicht. Vielleicht verläuft Heilung generell so nicht. Es gibt für Naaman keine Heilung im Sinne einer Handlung an ihm als einem Objekt – einem Objekt, mit dem man nur das Richtige anstellen muss. Es gibt für ihn keine Heilung, bei der er unbeteiligt bleiben und von außen zuschauen könnte. Stattdessen schickt ihn der Prophet Elisa wieder auf den Weg. Auf einen vierzig Kilometer langen Weg zum Jordan. 

Ich kann mir vorstellen, dass Naaman diesen Weg schließlich in tiefem Schweigen und in Gedanken versunken zurückgelegt hat – in der Auseinandersetzung mit sich selbst. Vielleicht hat er sich gefragt: Was tue ich hier eigentlich? Vielleicht hat er sich gesagt: Das hat doch alles keinen Sinn – Heilung finden auf das Gerede eines Sklavenmädchens hin, Heilung finden in Israel, dem Land des von ihm selbst besiegten Volkes, Heilung finden bei einem fremden Gott, mit dessen Macht es allem Anschein nach nicht weit her sein kann. Und dennoch geht Naamann weiter, immer weiter, bis zum Jordan. Irgendetwas lässt ihn immer weitergehen. Ist es vielleicht Glaube? Vertrauen in den fremden Gott – trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint? 

Ich denke, die eigentliche Heilung Naamans findet nicht erst am Ende seines Weges statt, sondern schon auf seinem Weg. Natürlich ist Naaman erst nach seinem siebenmaligen Untertauchen im Jordan von seinem Aussatz befreit gewesen. Aber ich denke, seine eigentliche Heilung war zu diesem Zeitpunkt schon längst geschehen. Er ist zwar erst nach seinem Untertauchen im Jordan äußerlich gesundgeworden, aber er war schon längst innerlich heilgeworden. Denn bei genauerem Hinsehen will sich ein Puzzleteil nicht so recht in das Gesamtbild einfügen. Der Prophet Elisa sagt zu Naaman: „Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.“ Dieses siebenmalige Untertauchen im Jordan passt genau zu den israelitischen Reinigungsregeln im Fall von Aussatz. Aber: Nach jüdischem Gesetz bezogen sich diese Reinigungsregeln auf bereits geheilte Aussätzige. Nur diejenigen, deren Gesundwerden bereits durch einen Priester festgestellt worden war, hatten sich einem solchen Reinigungsritual zu unterziehen. Demnach erscheint Naaman bei seinem Bad im Jordan als einer, der schon rein, der schon geheilt ist. Vielleicht ist manchmal tatsächlich nicht das Ziel das Ziel, sondern der Weg. 

Unser Weg durch das neue Jahr liegt noch fast vollständig vor uns. Vielleicht ist es auch für uns ein Weg zur Heilung. Oder zumindest ein Schritt auf diesem Weg. Von dem aramäischen Feldhauptmann Naaman habe ich gelernt, dass ein solcher Weg nicht immer geradeaus gehen muss und dass mich gerade meine gewohnten, liebgewordenen und vertrauten Wege in eine Sackgasse geraten lassen können. Von Naaman habe ich auch gelernt, dass mir der Weg zur Heilung unter Umständen eine Menge Mut abverlangen kann – genauer gesagt: Demut. Und schließlich habe ich gelernt: Vielleicht geht es bei diesem Weg zur Heilung weniger um ein äußerliches Gesundwerden als vielmehr um ein innerliches Heilwerden. Darum, die eigenen Schwächen und Begrenzungen oder etwas Unabänderliches zu akzeptieren. Darum, einen neuen Zugang zu finden – zu sich selbst, den eigenen Ressourcen, zu längst verlorenen geglaubten Kräften oder auch einen neuen Zugang zu Gott, zum Glauben. Vielleicht geht es bei diesem Weg zur Heilung weniger um ein äußerliches Gesundwerden als vielmehr um ein neues Heimisch-Werden im eigenen Leben – so, wie es ist, so, wie es unter Umständen geworden ist. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.