Predigt am 30.03.2025

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I

Es ist der 4. Sonntag in der Passionszeit – in drei Wochen jährt sich der Todestag Jesu. An einem Freitag ist er gestorben, um 15 Uhr, am Kreuz. Qualvoll und elendig. Es war ihm nicht vergönnt, in einem hohen Alter friedlich und lebenssatt einzuschlafen, so wie viele von uns es für sich wünschen. Nein, er war noch jung. Zu jung. 33 oder 34 Jahre muss er gewesen sein, jünger als ich. Es war der Tag, an dem Gott eine Finsternis über die ganze Erde schickte. Als der riesige Vorhang im Tempel zerriss und die Erde erbebte.

Diesem Jahrestag nähern wir uns in jedem Jahr 40 Tage lang. Wir fasten, verzichten im Gottesdienst auf den Gesang des Hallelujas, singen und predigen vom Leiden und Sterben. Heute sind wir genau in der Mitte dieser stillen Zeit angekommen: Drei Wochen der Passion liegen bereits hinter uns, drei Wochen liegen noch vor uns. Und dieser Sonntag heißt „Lätare“ – Freut euch!

Das ist doch erstaunlich! Dieser Sonntag klingt gar nicht nach Passion! Er klingt nach Aufatmen, nach Hoffnung, nach Freude.

Und das ist in jedem Jahr so: In jedem Jahr an Lätare macht die Passion eine Pause. An Lätare lassen wir das Licht von Ostern schon einmal in unseren Gottesdienst hinein. Um Kraft zu tanken. Um Luft zu holen. Um uns vorzubereiten für den Weg, der noch vor uns liegt. Heute feiern wir nicht das Ende des Weges, aber wir schöpfen Kraft. Weil uns einer begegnet, der uns stärkt – von innen heraus.

II

Den Predigttext für heute finden wir im Johannesevangelium im 6. Kapitel. Er ist Teil der sogenannten Brotrede – das ist eine lange Ausführung und Erklärung von Jesus, die wohl nötig gewesen war, nachdem 5.000 Menschen von nur 5 Broten und 2 Fischen satt geworden waren. Im Anschluss an dieses Wunder hatten die Jünger und die Anwesenden wohl so viele Fragen, dass Jesus es ihnen in seiner Brotrede versuchte zu erklären, aber ich sage bewusst „versuchte“, denn hinterher scheinen sie noch mehr Fragen gehabt zu haben als vorher.

Während Jesus also die 5.000 Menschen mit den 5 Broten und 2 Fischen speiste, erinnerten sie sich plötzlich, dass so etwas ja schon einmal vorgekommen war: in der Wüste. Als die Israeliten aus dem Ägyptenland geflohen waren, gab Gott ihnen jeden Morgen Manna zur Speise. Jeden Morgen, 40 Jahre lang, fanden sie das Manna und konnten davon leben in einer lebensfeindlichen Umgebung: dem heißen Wüstensand. Jeden Morgen bekamen sie neue Kraft (ein wenig so wie wir heute, am Sonntag Lätare). Gott zeigte ihnen durch das Brot, dass er bei ihnen war. Fortwährend beschenkte er sie mit der Nahrung und damit mit neuer Hoffnung. 40 Jahre lang, bis sie das gelobte Land erreichten.

Jetzt fragten sich die Menschen nach dem Brotwunder natürlich: Würde das mit Jesus auch so sein? Würde er sie täglich mit Nahrung versorgen wie Gott die Israeliten in der Wüste? Wir hören seine Antwort:

Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat ewiges Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit jemand von ihm esse und nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel gekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben, und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt. (6,47-51)

Nein, antwortet Jesus, ich wiederhole hier nicht das Manna-Wunder in der Wüste. Denn die Israeliten sind gestorben, obwohl sie das Manna hatten. Mit mir beginnt aber etwas ganz Anderes, etwas ganz Neues: Ich bin das Brot, das vom Himmel kommt. Ich bin das Brot des Lebens. Und wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben.

III

Ums Brot geht es viel in der Bibel und in unserem Glauben. „Unser tägliches Brot gib uns heute“, beten wir täglich. Brot stillt den Hunger, und es verbindet uns auch untereinander, besonders beim Abendmahl, wenn wir das Brot miteinander teilen. Das Brot ist immer ein Zeichen für die Leibhaftigkeit des Glaubens. Glaube findet nicht nur im Kopf statt, sondern Glaube nährt uns, gibt uns Energie, hält uns lebendig.

Das steht natürlich in starkem Kontrast zu den Selbsthilfebüchern und Fernsehshows dieser Zeit, die uns weis machen wollen, dass wir alles aus eigener Kraft heraus schaffen können. Dass wir alles sein können, was wir wollen. Selbstfindung, Selbstempowerment – so ein Quatsch, würde Jesus dazu sagen. Du kannst gar nichts aus eigener Kraft heraus schaffen. Denn Gott hat dich gar nicht so gestrickt, dass das überhaupt möglich ist.

Wir Menschen sind Wesen, in denen ganz tiefe Sehnsüchte stecken: nach Liebe, nach Schönheit, nach Erfolg. Wir streben nach Macht und Geld und liebäugeln mit den Verlockungen und Reizen dieser Welt. Warum wohl gibt es in der katholischen Kirche die sieben Todsünden? Weil der Drang danach in uns allen steckt: der Neid, der Zorn, die Wolllust, die Faulheit, der Hochmut, der Geiz, die Völlerei. Das steckt in jedem Menschen drin. Niemand von uns ist frei davon – und wenn es doch jemand von sich behauptet, zeigt sich der Hochmut.

Ein Mensch zu sein, ist schwer. Ein guter Mensch zu sein, ist noch schwerer. Denn das ist ein täglicher Kampf gegen die listigen Schlangen in uns drin.

Aber dann tritt Jesus auf den Plan.

Amen, amen, ich sage euch: Wer glaubt, hat ewiges Leben. Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel gekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben, und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.

Jesus gebietet den ganzen Drängen in uns Einhalt. Er ist das Stopp-Schild für die Sünde, die in uns schlummert. Er ist das Schild, das Böses von uns abwehrt. Er führt uns nicht in Versuchung, sondern er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und damit wir das wissen, damit wir das verstehen, damit wir das glauben, ist er bis ans Kreuz gegangen und ist gestorben – für uns. Für dich und für mich ist dieser Mensch gestorben, viel zu jung, viel zu früh, viel zu elendig. Er tat es für uns.

IV

Wenn wir das hören, dann sind 40 Tage Passion im Jahr eigentlich viel zu wenig. Wenn wir das hören, dann scheint der Ruf des heutigen Sonntags: „Lätare – Freut euch!“ eine sehr seltsame Freude zu sein, zu der wir heute aufgefordert werden: Eine Freude mit einem Beigeschmack. Denn jemand musste sterben, damit wir leben können. Was für eine Freude ist das denn? Es klingt ja eher nach Schadenfreude als nach echter Freude.

Aber am Kreuz endet die Geschichte ja nicht. Denn nach 3 Tagen geschieht etwas Unaussprechliches, nie Dagewesenes, Unglaubliches: Das Leben kommt zurück. Der Tod war nicht das Ende. Das Licht scheint weiter. Das Brot lebt weiter.

Das konnten die Jünger am Ostermorgen gar nicht verstehen, die sind vom leeren Grab weggerannt und haben sich zuhause eingeschlossen. Haben alle Fenster und Türen zugemacht und saßen in Panik und größter Angst beieinander.

Auch für uns, 2 Jahrtausende später, ist dies unglaublich, aber wahr: Jesus hat den Tod besiegt und die Sünde besiegt. Gott tritt für uns ein. An jedem Tag sorgt Gott für uns, so fehlerhaft und sündbeladen wir auch sein mögen. Er hat es wieder und wieder bewiesen: Mit Manna, das er vom Himmel sendet und mit seinem Sohn, der vom Himmel kam. An jedem Tag lässt Gott die Sonne über seinen Menschen aufgehen, an jedem Tag schenkt er uns sein Brot, seinen Odem, seine Liebe. Und sogar seinen eigenen Sohn. Wahnsinn. Das ist wirklich ein Grund zum Danken und zur Freude.

Martin Luther sagte einmal: Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da reicht von der Erde bis in den Himmel. Dies soll uns Stärkung und Halt sein in den kommenden 3 Wochen der Passion und besonders am dunkelsten Tag im Jahr: Dem Karfreitag. Egal, wie dunkel die Welt uns erscheinen mag, egal, wie finster es in uns drin wird: Das Licht von Gott, dem glühenden Backofen voller Liebe, wird nie erlöschen.

Amen.