Predigt am 16.03.2025

Kategorien:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. 

Liebe Gemeinde, 

als wir uns Anfang März über eine ganz Reihe von warmen und sonnendurchfluteten Tagen freuen konnten, da konnte man viele Menschen in einer ganz bestimmten Körperhaltung beobachten: Sie standen da mit geschlossenen Augen und leicht nach oben geneigtem Kopf und genossen die Sonne. Oder anders ausgedrückt: Sie hielten ihr Gesicht in die Sonne. Sie hielten ihr Gesicht ins Licht. Vielleicht gehörten auch Sie dazu. 

Ich denke, diese Körperhaltung ist ganz typisch für uns Menschen. Denn wir brauchen das Licht. Wir sehnen uns nach ihm, wenn es dunkel und kalt ist, und wir genießen es, wenn es da ist. Es tut uns einfach gut. Es wärmt unseren Körper und unsere Seele. Es hebt unsere Stimmung. Es macht uns fröhlich und nicht selten auch freundlicher. 

Der Evangelist Johannes sagt: Gott weiß das. Gott weiß, dass wir Menschen das Licht brauchen. Und darum hat er gehandelt. Weil er uns liebt. Weil Gott uns Menschen liebt und weil er um unsere Licht-Bedürftigkeit einerseits und um unsere Dunkelheiten andererseits weiß, darum hat er seinen Sohn in die Welt gesandt. Und mit ihm ist das Licht gekommen – in unsere Welt und in unser ganz persönliches Leben. 

Ich lese den Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem dritten Kapitel des Johannesevangeliums. Jesus sagt darin zu dem Pharisäer Nikodemus, der mitten in der Nacht zu ihm gekommen ist, folgendes:

16 Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.

18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.

19 Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse.

Vielleicht werden Sie jetzt denken: Naja, diese Worte Jesu verbreiten selber aber nur sehr wenig Licht. Sie klingen eher dunkel. Sie werfen ziemlich lange Schatten. In ihnen ist kaum von „Licht“ oder von „Liebe“ die Rede, sondern vielmehr von „Finsternis“ und von „Gericht“. Und das stimmt. Der Evangelist Johannes spricht auch und sehr betont von Finsternis und von Gericht. Aber das kann auch gar nicht anders sein. Denn Finsternis ist die Kehrseite des Lichtes. Und Gericht ist die Kehrseite der Liebe. 

Für Licht und Finsternis mag das einleuchten. Wo kein Licht ist, da ist Finsternis, da ist es dunkel. Und wo Licht ist, da ist eben keine Finsternis, da hat die Finsternis keinen Raum. Aber wie verhält sich das bei „Liebe“ und „Gericht“? 

Es gehört zum Wesen der Liebe, dass sie niemanden zwingt, dass sie sich niemandem aufzwingt. Die Liebe lässt dem geliebten Gegenüber Freiheit – sogar die Freiheit, sich für oder gegen die Liebe zu entscheiden. Aber wer sich gegen die Liebe entscheidet, wer in seinem Leben der Liebe keinen Raum schenkt – weder der Liebe für sich selbst noch der Liebe für andere noch der Liebe für Gott, wer sich selbst in Liebe nicht auch ein Stückchen verliert und dabei so viel gewinnt, der spricht sich selbst das Urteil, der richtet sich selbst. Eben weil er sich von der Liebe ausschließt. 

Aber das ist nicht Gottes Wille für uns. Gottes Wille für uns ist nicht Gericht, sondern Liebe. „Also hat Gott die Welt geliebt“, sagt der Evangelist Johannes – die ganze Welt und jeden einzelnen Menschen. Und diese Liebe Gottes findet ihren sichtbaren und spürbaren Ausdruck im Licht. Gottes Liebe fühlt sich an wie Licht. 

Nun ist Licht ja nicht gleich Licht. Es gibt warmes und kaltes Licht. Es gibt Licht, das einem angenehm ist, und solches, das man eher als unangenehm empfindet. Es gibt Licht, das man genießt, und solches, das man meidet. Von welcher Art Licht ist das Licht der Liebe Gottes? 

Das Licht der Liebe Gottes ist vielleicht kein Rampenlicht von Glück und Erfolg. Und es ist auf jeden Fall kein kaltes, grelles Licht, das mich mit meinen Fehlern und Schwächen unbarmherzig bloßstellt. Sondern das Licht der Liebe Gottes ist ein mildes und sanftes Leuchten. Es ist ein Licht, das mich anzieht, in dessen Nähe ich mich wohl und geborgen fühle. Es ist ein Licht, das mich wärmt und in dessen Schein ich zur Ruhe kommen kann. Es ist ein Licht, in dem ich mich anders wahrnehme: weniger gehetzt und getrieben, mehr angekommen bei mir selbst und mehr angenommen als die, die ich bin. Es ist ein Licht, in dem auch die Menschen um mich herum anders aussehen: Im Licht der Liebe Gottes kann ich neue, schöne Seiten an ihnen entdecken und über altbekannte, weniger schöne Seiten hinwegsehen – ebenso wie sie über meine. 

Jesus Christus spricht: „Ich bin das Licht der Welt.“ In ihm hat Gott die Welt ins Licht gestellt – in das Licht, das sie braucht. In das Licht, nach dem sie sich sehnt. In ihm hat Gott die Welt in das Licht seiner Liebe gestellt. In Jesus Christus hat Gott auch mein Leben ins Licht gestellt. Wie gesagt: nicht unbedingt ins Rampenlicht von Glück und Erfolg, aber in das Licht seiner Liebe. Es soll nicht dunkel bleiben – weder über der Welt noch über meinem ganz persönlichen Leben. Die Dunkelheit soll nicht die Oberhand behalten – weder die Dunkelheit der Traurigkeit, noch die Dunkelheit des Schmerzes, der Angst, der Einsamkeit, der Enttäuschung, der Schuld, der Verzagtheit, des Unfriedens. 

Damit es nicht dunkel bleibt – in der Welt und in meinem ganz persönlichen Leben, muss ich mich manchmal jedoch auch ganz bewusst aufmachen. Ich muss mich aufmachen und mein Herz ins Licht, in das Licht der Liebe Gottes hineinhalten. So, wie es viele Menschen in den ersten Märztagen gemacht haben, als sie ihr Gesicht in den Sonnenschein hineingehalten haben. So, wie wir es in den nächsten Tagen wohl wieder machen können. Und so, wie Nikodemus es gemacht hat, als er eines Nachts aufbrach und zu Jesus ging. Ich muss mich aufmachen. Und ich will mich aufmachen – immer wieder. Ich will nicht abwarten, bis mich eines Tages einmal ein Lichtstrahl trifft, sondern ich will mich aufmachen und mein Herz, ja mein ganzes Leben ins Licht hineinhalten, in das Licht der Liebe Gottes. Ich will mich aufmachen, wenn ich glücklich bin und die ganze Welt umarmen könnte. Ich will mich aufmachen, wenn ich traurig und niedergeschlagen bin. Ich will mich aufmachen, wenn ich enttäuscht bin – vom Leben, von anderen Menschen oder von mir selbst. Ich will mich aufmachen, wenn ich verletzt oder beleidigt worden bin. Ich will mich aufmachen, wenn ich selbst schuldig geworden bin, wenn ich Dinge versäumt habe oder wenn mir etwas misslungen ist. Ich will mich aufmachen und mein Herz ins Licht hineinhalten – in das Licht der Liebe Gottes. 

Das Schöne ist, dass dieses Licht der Liebe Gottes das ganze Jahr über da ist. Es nimmt nicht zu und nicht ab, es ist immer da. Manchmal ist es nur ein paar tiefe Atemzüge weit entfernt, mit denen ich wieder zur Ruhe komme. Manchmal ist es nur ein Gebet weit entfernt. Manchmal ist es nur ein paar Tage weit entfernt – bis zum nächsten Gottesdienst. Und manchmal ist es nur ein paar Schritte weit entfernt – ein paar Schritte bis hin zum Altar, ein paar Schritte bis hin zu Brot und Wein, ein paar Schritte bis hin zu den Worten „Jesus Christus, das Licht der Liebe Gottes – für dich gegeben“. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.