Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Der Predigttext steht im 6. Kapitel des Johannesevangeliums:
30 Das Volk sprach zu Jesus: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?
31 Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: »Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.«
32 Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
33 Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
34 Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
35 Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Herr, öffne unsere Herzen, dass wir dein Wort verstehen und aus ihm leben lernen. Amen.
Liebe Gemeinde,
wenn wir Menschen uns begegnen, dann stellen wir einander oft Fragen. Fragen wie: „Wie geht es dir?“ „Was machst du so?“ „Wie war dein Tag?“ Manchmal sind diese Fragen ganz ernst gemeint. Wir möchten dann wirklich wissen, wie es dem anderen geht, was er so macht und wie sein Tag war. Manchmal sagen wir diese Fragen aber auch einfach nur so dahin und erwarten überhaupt keine Antwort von unserem Gegenüber. Oder wir warten seine Antwort gar nicht erst ab, sondern gehen gleich zum nächsten Thema bzw. zu uns selbst über.
Im Predigttext begegnen die Menschen Jesus auch mit einer Frage, und zwar mit der Frage: „Was wirkst du?“ Ich denke, es ist ihnen mit dieser Frage sehr ernst gewesen. Sie möchten eine Antwort darauf haben. Hier und jetzt. Vorher bewegen sie sich nicht von der Stelle. Denn die Frage „Was wirkst du?“ ist nicht irgendeine Frage, sondern eine besondere. Es ist die Frage nach dem Sinn. Die Menschen stellen Jesus die Frage nach der Sinnhaftigkeit seines Tuns, nach der Sinnhaftigkeit seines ganzen Lebens: „Was wirkst du, was bewirkst du eigentlich?“
Die Menschen stellen Jesus diese Frage am Morgen danach, am Morgen nach dem großen Wunder. Mit nur fünf Broten und zwei Fischen hat Jesus fünftausend Menschen satt gemacht. Doch nun sind die Mägen wieder leer und die Menschen kommen erneut zu Jesus. Einige von ihnen wollen eine Antwort darauf, wie dieses Wunder zu verstehen sei. Was es unterscheidet von jenem Wunder in der Wüste, das die Vorfahren erlebt haben – als es Manna vom Himmel regnete. Und so entspinnt sich ein längeres Gespräch zwischen Jesus und den Menschen – und mitten in diesem Gespräch stellen sie ihm die Frage nach dem Sinn: „Was wirkst du, was bewirkst du eigentlich?“ Und Jesus antwortet ihnen: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ Mit anderen Worten: „Ich mache satt. Ich habe euch gestern Brot für euren Leib gegeben und ich will euch noch mehr geben, nämlich mich selbst: das Brot des Lebens. Das wird eure Seele satt machen.“
„Was wirkst du, was bewirkst du eigentlich – mit deinem Tun, mit deinem Leben?“ Was würden wir auf diese Frage antworten?
Viele Menschen ziehen auf diese Frage hin Fotos aus ihrer Jackentasche – so wie jene beiden alten Schulfreunde in einer bekannten Fernsehwerbung. Der eine zieht drei Fotos hervor und legt sie mit den Worten „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ stolz vor dem anderen auf den Tisch. Daraufhin zieht der andere ebenfalls drei Fotos aus der Tasche und legt sie mit den Worten „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ darüber. Dann zieht er noch drei weitere Bilder hervor, auf denen ein riesiger Springbrunnen, ein schwimmbadähnlicher Swimmingpool und ein echtes Rassepferd zu sehen sind. Er legt sie zu den übrigen Bildern auf den Tisch und sagt mit einem breiten Grinsen: „Meine Dusche, meine Badewanne, mein Schaukelpferd“.
Viele Menschen ziehen auf die Frage „Was wirkst du, was bewirkst du mit deinem Tun, mit deinem Leben?“ Fotos aus der Tasche bzw. sie ziehen ihr Smartphone hervor und zeigen, was sie alles haben – an Gut und Geld, an Macht und Einfluss. Doch ist das wirklich die Antwort auf diese Frage? Und was wäre, wenn wir weder Gut noch Geld, weder Macht noch Einfluss in unserem Leben bewirkt hätten? Hätten wir dann unser Leben verwirkt?
Nelson Mandela, der berühmte südafrikanische Freiheitskämpfer und Friedensnobelpreisträger, hat keine Fotos aus der Tasche gezogen. Von ihm stammt der Satz: „Der Unterschied, den wir im Leben anderer bewirkt haben, der bestimmt, wie bedeutsam das Leben ist, das wir führen.“ Mit anderen Worten: Nicht das, was wir selbst aus der Tasche ziehen, bestimmt den „Wirkungsgrad“ unseres Lebens. Nicht das, was wir selbst vorweisen, zeigt an, was wir mit unserem Tun und in unserem Leben bewirkt haben. Sondern darüber entscheiden die Bilder, die andere Menschen aus ihrer Tasche ziehen, nämlich Bilder, die davon erzählen, wie ihr Leben durch uns, durch die Begegnung mit uns anders verlaufen ist, z.B. weniger einsam, weniger traurig, wenig mutlos oder weniger hoffnungslos. Bilder, die davon erzählen, wie ihr Leben durch uns weniger freudlos, friedlos oder lieblos war.
Vielleicht sind dies für uns selbst Begegnungen, die wir schon längst vergessen oder die wir überhaupt nicht als besonders wahrgenommen haben – ein spontanes Gespräch beim Einkaufen, ein kurzer Besuch am Krankenbett, ein kleiner Gruß zum Geburtstag, die ehrlich gemeinte Nachfrage: „Wie geht es dir?“, ein entlastendes „Schwamm-drüber“ nach einem dummen Missverständnis, ein freundliches Lächeln beim gemeinsamen Sitzen im Wartezimmer. Vielleicht sind dies für uns selbst Begegnungen, die wir selbst schon längst vergessen, die wir überhaupt nicht als besonders wahrgenommen haben, aber sie haben im Leben eines anderen Menschen einen Unterschied gemacht. Sie haben dessen Leben in diesem Moment ein wenig heller und freundlicher, ein wenig wärmer und fröhlicher gemacht. Sie haben es in diesem Moment besser oder zumindest erträglicher gemacht.
Jesus hat wie kein anderer einen Unterschied im Leben anderer bewirkt. Durch die Begegnung mit ihm hat sich der Leben unzähliger Menschen von Grund auf verändert. Manchmal war die Veränderung sofort und für alle sichtbar: Blinde konnten sehen, Lahme gehen, Aussätzige wurden rein. Manchmal vollzog sich die Veränderung in aller Stille und unbemerkt von der Öffentlichkeit. Aber sie war immer spürbar – spürbar daran, dass auf einmal mehr da war: mehr an Hoffnung, mehr an Vertrauen, mehr an Zuversicht, mehr an Gewissheit, dass einen nichts, aber auch gar nichts scheiden kann von Gott und seiner Liebe. Und dieses Mehr spüren Menschen bis heute, wenn sie Jesus begegnen, wenn sie sich auf eine Begegnung mit ihm einlassen – sei es in den Worten der Bibel, in der Feier eines Gottesdienstes oder im Gebet. Sie spüren, dass Jesus einen Unterschied in ihrem Leben bewirkt.
Und genau das ist – in der Nachfolge Jesu – auch unser Auftrag. Das ist der Sinn auch unseres Lebens. Das gibt unserem Leben Sinn: einen Unterschied im Leben anderer zu bewirken. Dafür zu sorgen, dass durch die Begegnung mit uns etwas mehr da ist – etwas mehr an Glaube und Vertrauen, mehr an Hoffnung und Zuversicht, mehr an Freude und Fröhlichkeit, mehr an Liebe und dem guten Gefühl, geliebt zu werden. Wenn wir das als unseren Auftrag annehmen, haben wir auch gleich die Antwort parat, falls wir einmal von jemandem gefragt werden sollten: „Was wirkst du, was bewirkst du eigentlich mit deinem Tun, mit deinem Leben?“ Dann können wir antworten: „Ich? Ich versuche, einen Unterschied im Leben zu machen. Und vielleicht gelingt mir das auch in deinem Leben.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.