Ansprache im Familiengottesdienst am 7. September 2025

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Liebe Gemeinde, 

wann haben Sie das Beten gelernt? Als Kind – mittags vor dem Essen oder abends vor dem Schlafengehen? Oder als Erwachsener – in einer besonderen Situation oder durch einen bestimmten Menschen? Oder überhaupt nicht? Muss man das Beten eigentlich lernen? Kann man nicht einfach so drauflos reden – wie einem die Worte in den Mund oder in den Sinn kommen? Und schließlich: Kann man das Beten tatsächlich lernen – und zwar wirklich jeder, ohne Ausnahme? 

Im Volksmund heißt es ja: „Not lehrt beten.“ Aber da habe ich meine Zweifel. Denn wenn die Not tatsächlich das Beten lehren würde, dann hätten wir alle irgendwann einmal das Beten gelernt bzw. wir würden es irgendwann lernen. Denn ich bin mir sicher: Jeder Mensch gerät im Laufe seins Lebens irgendwann einmal in Not – wie immer diese auch aussehen mag. Doch haben Sie in Ihrer ganz persönlichen Not wirklich das Beten gelernt? 

Ich erlebe immer wieder das Gegenteil: Dass die Not nicht das Beten lehrt, sondern im Gegenteil: Dass die Not sprachlos macht – auch vor Gott. Dass in der Not eben keine Worte da sind, auch keine gestammelten, noch nicht einmal gedachte Worte, sondern im Gegenteil: Dass da eine einzige große Leere ist – im Kopf und im Herzen. 

Der Satz „Not lehrt Beten“ muss allerdings auch nicht falsch sein. Es kann durchaus sein, dass sich bei einem Menschen im Moment der Not die Schleusen öffnen und er im Gebet einen Ort findet, um seine ganze Verzweiflung herauszuschreien. Das kann sein und das ist bestimmt auch so. Aber ich bin der festen Überzeugung. Es ist leichter, in der Not zu beten, wenn man das Beten schon vor der Not gelernt hat. Wenn man es schon vorher einmal ausprobiert hat.

Und daher ist es so wichtig, dass wir mit unseren Kindern, Enkel- und Patenkindern beten – immer wieder. Es geht dabei nicht um bestimmte Worte – ein bestimmtes Kindergebet, das Vaterunser oder den 23. Psalm. Solche eingeprägten Worte können in der Not helfen, überhaupt etwas über die Lippen zu bekommen. Aber es geht beim Beten mit unseren Kindern nicht um bestimmte Worte und schon gar nicht um die „richtigen“ Worte. Sondern es geht dabei um die Adresse. Es geht darum, dass Kinder lernen, wohin sie sich wenden können. Es geht darum, dass Kinder wissen: Es gibt jemanden, der hört mir zu. Es gibt jemanden, der ist für mich da. Der kennt mich und hat mich lieb. Es geht darum, dass Kinder von Gott wissen. Wenn dann die Not kommt, kann es immer noch sein, dass ihnen die Worte fehlen. Weil die in der Kindheit gelernte Sprache des Gebets nicht mehr passt. Oder weil die in guten Zeiten gesprochenen Gebete in der Not nicht weiterhelfen. Aber sie kennen dann wenigstens eine Adresse, an die sie sich in ihrer Not wenden können. Und sie kennen den, der größer ist als alle Not. 

Übrigens: Um mit dem Beten anzufangen, es einmal auszuprobieren, sich darin zu üben, es zu lernen, dafür muss man kein Kind sein. Das geht zu jeder Zeit, auch zu jeder Lebenszeit. Dafür ist man nie zu alt. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.