Ansprache am 5. Mai 2023

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, liebe Gemeinde! 

„Was bringt mir das?“ Diese Frage stellen sich Menschen oft – heutzutage vielleicht mehr als in früheren Zeiten. Sie stellen sich diese Frage immer dann, wenn sie etwas tun sollen. Denn so einfach – ohne, dass es uns etwas bringt – tun wir Menschen nichts. Außer unter Zwang. Weil wir müssen. Weil wir keine andere Wahl haben. Das, was uns unser Tun bringen soll, kann sehr unterschiedlich sein: Spaß, Macht oder Einfluss, Geld, Erfolg und Ansehen, Genugtuung, das Gefühl, gebraucht zu werden, Entspannung oder was auch immer. Aber irgendetwas muss es uns bringen, und zwar uns ganz persönlich. Denn sonst tun wir es nicht. Jedenfalls nicht freiwillig. Etwas nur für die gute Sache zu tun oder weil es einem anderen etwas bringt – das reicht in der Regel nicht aus. 

„Was bringt mir das?“ Ich könnte mir vorstellen, dass ihr euch diese Frage vor etwa einem Jahr auch in Bezug auf die Konfirmation gestellt habt. Ok, vielleicht hattet ihr keine Wahl. Vielleicht musstet ihr euch zum Konfi-Unterricht anmelden, weil es eure Eltern so wollten oder wegen der Tradition. Aber ihr werdet euch dennoch diese Frage gestellt haben. Vielleicht lautet eure Antwort heute nicht nur: „Die Konfirmation bringt mir einen schönen Tag mit Familie und Freunden. Sie bringt mir Geld und Geschenke. Sie bringt mir einige Rechte innerhalb der Kirche und der Gemeinde.“ Vielleicht sagt ihr heute – im Rückblick – auch: „Das Konfi-Jahr hat mir eine gute Zeit gebracht. Es hat mir eine gute Gemeinschaft innerhalb der Gruppe gebracht. Es hat mir die eine oder andere Antwort auf meine Fragen über Gott und den Glauben gebracht.“ 

Heute, kurz vor eurer Konfirmation, feiert ihr zum ersten Mal das Abendmahl mit uns. Vielleicht habt ihr euch auch im Hinblick auf das Abendmahl schon gefragt: „Was bringt mir das eigentlich?“ Und von der Antwort auf diese Frage hängt es vermutlich ab, ob ihr auch in Zukunft das Abendmahl mit uns feiern werdet oder nicht. 

Mir sind drei Dinge eingefallen, die einem das Abendmahl bringt – jedem und jeder ganz persönlich. Zum einen ist es das gute Gefühl: „Ich gehöre dazu. Ich bin Teil einer Gemeinschaft.“ Wer schon einmal in einem indischen oder einem chinesischen Tempel war oder einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen hat, der weiß: Dort ist immer etwas los. Menschen kommen, laufen zu den verschiedenen Altären und Götterstatuen und vollziehen dort ihre Rituale oder bringen Opfergaben. Doch die Menschen in diesen Tempeln haben nichts miteinander zu tun. Jeder vollzieht die Rituale für sich allein. Jeder ist nur auf sich und sein eigenes religiöses Tun konzentriert. Das ist bei uns anders: Christ ist man nie für sich allein. Christ ist man immer in einer Gemeinschaft. Und diese Gemeinschaft kommt nirgends so deutlich zum Ausdruck wie beim Abendmahl. Sie wird nirgends so deutlich spürbar wie in dem Moment, wenn wir nebeneinander im Kreis um den Altar stehen und Brot und Wein empfangen. 

Zum anderen bringt einem das Abendmahl die Gelegenheit, ganz unterschiedlichen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Viele Studien zeigen, dass unsere Gesellschaft immer mehr in Gruppen zerfällt – je nachdem, was man besitzt oder trägt, was man sich anschaut oder anhört, was einem wichtig ist und womit man seine Zeit verbringt. Die Studien zeigen auch, dass die verschiedenen Gruppen einander immer weniger begegnen. Wir umgeben uns eher mit Menschen, die zur gleichen Gruppe gehören wie wir selbst. Das bedeutet aber, dass wir einander – über die Gruppengrenzen hinweg – immer weniger wahrnehmen. Beim Abendmahl werden solche Gruppengrenzen aufgehoben. Denn beim Abendmahl stehen alle nebeneinander – egal, was man besitzt oder trägt, was man sich anschaut oder anhört, was einem sonst wichtig ist und womit man die Woche über seine Zeit verbringt. Beim Abendmahl können alle nebeneinander stehen, weil hier nichts von dem zählt, was uns an anderer Stelle voneinander trennt. Beim Abendmahl begegnen wir uns auf Augenhöhe. Denn vor Gott sind alle Menschen gleich – gleich wichtig, gleich viel wert. 

Und schließlich bringt das Abendmahl noch ein Drittes, nämlich die Erfahrung: „Ich bin wer – und zwar so, wie ich bin.“ In unserer Gesellschaft kommt es heutzutage entscheidend darauf an, wie gut man sich verkaufen kann. Wehe dem, der in Schule oder Beruf in eine „Opferrolle“ gerät. Bei einem Einstellungsgespräch gilt es, die eigenen Stärken in den Vordergrund zu rücken. Schwächen? Fehlanzeige! Und selbst unter vermeintlichen Freunden gibt es nicht selten einen heimlichen, wenn nicht sogar offenen Wettstreit darum, wer denn der Erfolgreichste ist. Frei nach dem Motto: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Die Fassade muss stimmen. 

Beim Abendmahl spielt die Fassade keine Rolle. Im Gegenteil: Das Abendmahl ist ein Ort, an dem ich nichts vorzuspielen brauche, sondern an dem ich so sein darf, wie ich bin: mit meinen kleinen und größeren Unvollkommenheiten, mit meinen Schuldgefühlen, mit meinen Versagensängsten. In der Feier des Abendmahls stehe ich nicht nur neben den anderen, sondern ich trete auch vor Gott hin. Ich lege ihm mein Innerstes hin – das, was ich vor anderen gern verberge: meine Fehler, meine Ängste und meine Traurigkeiten. Ich lege es Gott hin und lasse mir von ihm Vergebung, Mut und Zuversicht zusprechen. Und dann kehre ich getröstet und gestärkt in meinen Alltag zurück – mit der Gewissheit: „Ich bin wer – ich bin von Gott wertgeschätzt und geliebt. So, wie ich bin.“ 

„Was bringt mir das? Was bringt mir das Abendmahl – mir ganz persönlich?“ Ich denke, es bringt eine ganze Menge, und zwar immer wieder neu und sooft ihr es in Zukunft wollt. 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland und Herrn. Amen.